"Leih' mir mal ein Buckelrind!"

Eine Bank auf der Tropeninsel Madagaskar bietet eine tierisch geniale Dienstleistung: Kredite in Gestalt von Zebus

Rheinpfalz Online 31.07.2002

Eine Bank, bei der sich fast alles um die für die Tropeninsel Madagaskar typischen Zebus - das sind Buckelrinder - dreht, ist vielleicht auf der Welt nicht einmalig, aber in dieser Form durchaus ungewöhnlich. In der Edelsteinmetropole Antsirabe im Hochland der Insel, 170 Kilometer südlich der Hauptstadt Antananarivo, wurde 1997 von dem hier in der Stofffabrik Cotona tätigen französischen Piloten Stephane Geay die Zebu Overseas Bank ins Leben gerufen, die eine tierisch geniale Dienstleistung bietet. Rund 300 "Kunden" oder Geldgeber, vornehmlich Franzosen, aber auch Schweizer, Dänen, Belgier, Italiener, Portugiesen, US-Amerikaner, über 20 Deutsche aus Hamburg, München, Dortmund, Kirn/Nahe, Magdeburg, Berlin und weiteren Städten sowie etliche Madagassen, die im Ausland leben, haben bereits in ein Zebu investiert, das seit jeher als Arbeitstier und Statussymbol in Madagaskar hohen Stellenwert besitzt.

Und so funktioniert das Bankgeschäft: Madagassen aus einem Umkreis von etwa 15 Kilometern von Antsirabe kommen in das Büro der Bank und nehmen einen Kredit auf - im speziellen Fall in Gestalt eines Zebus. Besonders gefragt sind zweijährige weibliche Tiere, die auf dem örtlichen Markt erworben und auf einer bankeigenen Farm tierärztlich untersucht werden. Diese Tiere kosten den Geldgeber aus Europa oder Übersee derzeit 244 Euro.

Das Rind wird dann von der Bank der madagassischen Familie (pro Personalausweis gibt es maximal ein Tier) oder dem Dorf, das den Antrag gestellt hat, übergeben. Pro Monat müssen die Halter mindestens 15.000 Franc Malagasy (etwa 2,5 Euro) an die Zebu Overseas Bank zurückzahlen. Milch und Kälber dürfen sie behalten, haben also neben der Arbeitskraft auf den Reisfeldern oder als Zugtiere noch eine zusätzliche Einnahmequelle. Die Madagassen können so innerhalb weniger Jahre den vierbeinigen Hausgenossen komplett abbezahlen und dann auch behalten. Es ist aber auch möglich, das Tier vorher wieder der Bank zurückzugeben. Die weitaus größte Zahl der madagassischen Familien will natürlich das Zebu behalten. Das zeigen die Erfahrungen, welche die ungewöhnliche Bank in den wenigen Jahren ihres Bestehens gemacht hat.

Die Warteliste von Familien, die ein Zebu wünschen, ist groß. Bis zu 20 melden sich pro Monat. Weitere Geldgeber aus dem In- und Ausland sind also weiterhin willkommen. Die Bank zahlt den Einkaufspreis (zuzüglich 7 Prozent Zinsen) nach einigen Jahren wieder in der Landeswährung Franc Malagasy an die Anleger aus. Das stetig wachsende Unternehmen, das kürzlich in größere Räumlichkeiten umgezogen ist, beschäftigt jetzt fünf Mitarbeiter, die die gesamte Abwicklung übernehmen.

Dort sind auch alle Zebus per Foto und Kurzbeschreibung mit ihren Besitzern im Computer registriert. Früher konnte man für 50 Euro auch ein Schwein oder ein Schaf erwerben. Die Nutztiere wurden dann ebenfalls als Kredite an Familien gegeben. Die Lebenserwartung dieser Tiere erwies sich aber als zu gering für das Kreditgeschäft.

Die Investoren aus Europa und anderswo erhalten ein Foto ihres Tieres und auch ein Zertifikat. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit Hilfe des "Zebu-Briefes" per Internet (www.zob.org) Kontakt zur Bank zu halten.

"Ein Zebu ist ein ideales Geschenk von Menschen, die glauben, sie hätten bereits alles im Leben erreicht und erhalten", heißt es in einem Informationsbrief der Bank, die in verschiedenen Restaurants der Stadt auf sich aufmerksam macht. "Für diese Menschen könnte es eine besondere Freude sein, ein solch edles Tier wie ein Zebu zu besitzen, das sogar nach ihnen benannt werden kann", meint Stephane Geay. Die Niederlausitz-Grundschule im Berliner Stadtteil Kreuzberg und die Klasse 6b des staatlichen Gymnasiums im rheinland-pfälzischen Kirn an der Nahe haben kürzlich Familien in Madagaskar zu einem Zebu verholfen.


Von unserem Mitarbeiter: Klaus Heimer, Antananarivo